Donnerstag, 08 Februar 2024 07:54 Drucken

Bis Ende 2023 galten gesetzliche Lockerungen für den Insolvenzgrund der Überschuldung. Doch die sind jetzt ersatzlos gestrichen: Seit dem 1. Januar 2024 greift die Insolvenzantragspflicht wieder in vollem Umfang.

Das bedeutet: Unternehmen, die finanziell auf wackeligen Füßen stehen, müssen aktiv werden. Ansonsten droht eine persönliche Haftung der Geschäftsleitung.

„Ein Unternehmen muss jetzt nachweisen können, dass es die nächsten zwölf Monate durchfinanziert ist, um keinen Insolvenzantrag wegen Überschuldung stellen zu müssen“, erläutert Tim Neuvians, Sanierungsfachberater bei der bpr Mittelstandsberatung. „Wenn klar ist, dass ein Unternehmen für die kommenden zwölf Monate nicht durchfinanziert ist, müssen Geschäftsleiter innerhalb der gesetzlichen Frist einen Insolvenzantrag stellen – gerade auch, um sich vor einer möglichen persönlichen Haftung zu schützen.“

 

Maximal sechs Wochen für außerinsolvenzliche Sanierung

Die Höchstfrist für einen Insolvenzantrag wegen Überschuldung umfasst ab dem 1. Januar 2024 wieder sechs Wochen. Unternehmen können während dieser Zeit eine außerinsolvenzliche Sanierung (zum Beispiel auf Basis eines nachvollziehbaren und belastbaren Restrukturierungsplans) angehen, auch wenn sie für die kommenden zwölf Monate nicht durchfinanziert sind. „Für Geschäftsleiter ist aber wichtig, dass sie die Frist nicht ausschöpfen, wenn bereits während der Sechs-Wochen-Frist feststeht, dass die Überschuldung mit der außerinsolvenzlichen Sanierung aller Voraussicht nach nicht beseitigt werden kann“, erklärt Neuvians.

Übrigens stellt sich bei einer bilanziellen Überschuldung – etwa, wenn das Eigenkapital durch wiederholte Verluste aufgezehrt ist – auch die Frage der Fortführungsprognose. Diese stützt sich unter anderem auf die Analyse der Ausgangslage mit Benennung der Krisenursachen. Bei einer positiven Fortführungsprognose ist die Durchfinanzierung vereinfachend gesprochen als gegeben zu betrachten, falls die Wahrscheinlichkeit für Finanzplanüberhänge durchgehend höher ist als für nicht deckbare Finanzplandefizite.

 

Persönliche finanzielle Haftung vermeiden

Dass der Zeitraum für die Durchfinanzierung eines Unternehmens seit dem Jahreswechsel wieder zwölf Monate beträgt, führt dazu, dass die Überschuldung als Insolvenzgrund wieder an Bedeutung gewinnt. Dennoch wird die Zahlungsunfähigkeit auch weiterhin der mit Abstand häufigste Grund für Unternehmensinsolvenzen bleiben. Da die wirtschaftliche Erholung weiterhin auf sich warten lässt, sollten sich Geschäftsleiter daher regelmäßig mit der Frage befassen: Ist mein Unternehmen noch zahlungsfähig? „Denn die Antwort auf diese Frage hat nicht nur für das Unternehmen, sondern gerade auch für Geschäftsleiter in Bezug auf ihre persönliche finanzielle Haftung eine große Bedeutung – Stichwort Insolvenzverschleppung“, sagt Neuvians, der bereits zahlreiche Unternehmen in Krisensituationen beraten und unterstützt hat. Dem pflichtet auch unser Partner, StB Tobias Eickermann bei, der insbesondere steuerlich Sanierungsfälle betreut.

 

Drei Wochen bis zum Insolvenzantrag

Grundsätzlich gilt: Kann ein Unternehmen seine fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen, ist es zahlungsunfähig. In einem solchen Fall ist ein Geschäftsleiter verpflichtet, innerhalb der gesetzlichen Frist (in der Regel drei Wochen) einen Insolvenzantrag zu stellen. Doch ab wann ist ein Unternehmen aus rechtlicher Sicht zahlungsunfähig? Zahlungsunfähigkeit liegt nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn das Unternehmen zu einem Stichtag zehn Prozent oder mehr seiner fälligen Verbindlichkeiten mit den präsenten liquiden Mitteln nicht begleichen kann und diese Lücke auch nicht innerhalb von drei Wochen unter Beachtung der in dieser Zeit fällig werdenden Verbindlichkeiten mit den in diesem Zeitraum zusätzlich verfügbar werdenden liquiden Mitteln schließen kann.

 

Zahlungsunfähig oder nicht?

„Ob ein Unternehmen zahlungsunfähig ist oder nicht, lässt sich für den jeweils aktuellen Tag mit der sogenannten erweiterten Liquiditätsbilanz feststellen, die als Methode seit inzwischen fast 20 Jahren etabliert ist“, sagt Neuvians. „Wenn klar ist, dass die Geldmittel zu einem bestimmten Stichtag und auch perspektivisch in den nächsten drei Wochen die fälligen Verbindlichkeiten nicht vollständig abdecken, ist das Unternehmen bereits zum Betrachtungsstichtag zahlungsunfähig.“ Da für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit eine komplexe Berechnung notwendig ist, sollten Geschäftsleiter für die Antwort auf die Frage „Ist mein Unternehmen noch zahlungsfähig?“ professionelle Hilfe zu Rate ziehen, damit sie das Risiko einer persönlichen Haftung reduzieren. Rechtlich kann bspw. hier auch unser Rechtsanwaltspartner, RA/StB Dr. Aare Schaier, unterstützen.

Grundsätzlich gilt: Geschäftsleiter sollten eine notwendige Restrukturierung oder Sanierung rechtzeitig angehen, wenn ihr Unternehmen noch Reserven hat. Wenn Gegenmaßnahmen frühzeitig eingeleitet werden, bestehen bessere Chancen auf einen erfolgreichen und nachhaltigen Ausgang.

Abzuwarten und auf eine baldige Besserung der Konjunktur und der wirtschaftlichen Gesamtlage zu setzen, ist keine sinnvolle Strategie. Geschäftsleiter, deren Unternehmen sich in einer Krise befindet oder absehbar darauf zusteuert (was u.a. an der zunehmenden Ausschöpfung der Kontokorrentlinien erkennbar ist), sollten auch eine Neuaufstellung mit Hilfe des Sanierungsrechts zumindest als Option ansehen.